ANTON TSCHECHOW

Anton Tschechow
Anton Tschechow (1889)

„Er war ein unvergleichbarer Künstler... Künstler des Lebens... Der Wert seiner Schöpfung liegt darin, dass sein Werk nicht nur für jeden Russen, sondern für jeden Menschen überhaupt verständlich und erlebbar ist.“
(Leo Nikolajewitsch Tolstoi)

Der große russische Schriftsteller Anton Pawlowitsch Tschechow wurde am 17. (29.greg.) Januar 1860 in der kleinen Stadt Taganrog am Ufer des Asowschen Meeres geboren. Die Familie war groß – sechs Kinder – und die Tagesordnung streng. Alle Kinder besuchten das Gymnasium, lernten Fremdsprachen, bekamen Musikunterricht; sie mussten dem Vater im Laden helfen und an jedem Gottesdienst teilnehmen und im Chor singen. Als die Familie nach Moskau umgezogen war, blieb der sechzehnjährige Anton allein in Taganrog zurück. Nicht nur beendete er selbständig das Gymnasium, sondern verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch Nachhilfeunterricht und schickte noch kleine Summen seines Verdienstes an die Familie nach Moskau. Anton las viel, besuchte oft das Theater und begann zu dieser Zeit mit seinen ersten literarischen Versuchen. Sein Talent zeigte sich früh – in seiner Beobachtungsgabe und seiner Gewissenhaftigkeit: er hasste die Lüge, die Tyrannei, die Grobheit und die Kleinbürgerlichkeit. Aber er liebte die Menschen und zeigte ihre Schwächen mit feinem Humor auf.

Er entschloss sich, Arzt zu werden, und ging 1879 nach Moskau an die medizinische Fakultät. Während des Studiums verdiente er Geld mit dem Schreiben von Kurzgeschichten für die Feuilletons verschiedener humoristischer Zeitschriften. Diese lustigen Geschichten aus seiner ersten Schaffens-Periode verlieren jedoch bald ihren Unterhaltungscharakter. Aus Antoscha Tschechonté (das Pseudonym, mit dem Tschechow seine frühen Werke unterzeichnete) wurde Anton Tschechow; hinter Humor und Satire spürt man in seinem Werk die Tragik.

Die literarische Arbeit wurde zu seiner Berufung, aber er ist immer auch der Medizin treu geblieben. Er behandelte weiterhin kostenlos die Bauern, verfolgte die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, besuchte Krankenhäuser und kämpfte aktiv gegen eine Choleraepidemie. Aus der praktischen Tätigkeit von Doktor Tschechow und aus seinen Beobachtungen des Lebens einfacher Menschen sammelte er reiches Material für sein literarisches Werk.

Das erste große Werk Tschechows, die Erzählung „Die Steppe“,  erschien im Jahr 1888. Im selben Jahr erhielt er von der Russischen Akademie der Wissenschaften für seinen Erzählband „In der Dämmerung“ den renommierten „Puschkin-Preis“. Das Bedürfnis des Schriftstellers, am öffentlichen Leben der Gesellschaft teilzuhaben, und sein ärztliches Interesse an der Situation der Sträflinge führten Tschechow im Jahr 1890 auf die Insel Sachalin. Er unterhielt sich mit jedem Internierten und jedem Verbannten, führte auf der Insel eine Volkszählung durch und füllte mehr als 10 000 statistische Blätter aus. Diese schwierige Reise bedeutete für das Werk Anton Pawlowitsch Tschechows sehr viel.

Bald nach der Rückkehr aus Sachalin im Frühjahr 1891 unternahm Tschechow eine Reise nach Westeuropa, er verweilte in Italien, Wien und Paris. Nach Moskau zurückgekehrt empfand er besonders stark die Schwere des russischen Lebens.

1892 erschien die berühmte Erzählung „Krankenzimmer Nr.6“ und Tschechow begann mit der Arbeit an dem Buch „Die Insel Sachalin“, das 1893/1894 erschien.

Besonders fruchtbar war für Tschechow die Zeit auf seinem Gut Melichowo bei Moskau, wo er sieben Jahre mit den Eltern und den Geschwistern ein gemeinsames Zuhause fand. Er schrieb nicht nur viel, sondern behandelte auch die Bauern, unterstützte den Bau dreier Dorfschulen und arbeitete mit Leidenschaft in seinem Garten.

Außer dem schicksalsträchtigen Buch „Die Insel Sachalin“, dessen gesellschaftliche Bedeutung nicht zu unterschätzen ist, gehören zu dieser Melichowo-Periode unter anderem die Erzählungen „Weiberwirtschaft“, „Mein Leben“ und „Drei Jahre“, deren Hauptthema das Verhältnis des Menschen zur Arbeit ist.

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Portrait von Ossip Bras (1898)

In Melichowo wurde Tschechow auch zum großen Dramatiker: Hier schrieb er 1895 „Die Möwe“, eines seiner vier großen Dramen, in denen sich die Pionierleistung Tschechows in der Konzeption des modernen Dramas widerspiegelt („Onkel Wanja“, 1896, „Die drei Schwestern“, 1900, „Der Kirschgarten“, 1904).

Dem Moskauer Künstlertheater unter der Leitung von Konstantin Stanislawski gelang es zum ersten Mal, die psychologische Tiefe der Dramaturgie Tschechows darzustellen.

Die letzten vier Jahre seines Lebens war Anton Tschechow mit Olga Knipper, einer der bedeutendsten Schauspielerinnen des Moskauer Künstlertheaters, verheiratet.

Im Alter von vierzig Jahren fühlte sich der tuberkulosekranke Schriftsteller immer schlechter und er musste die meiste Zeit im südlichen Jalta mit seinem milderen Klima leben. Olga blieb in Moskau. Der Briefwechsel der beiden Liebenden wurde zu einem weiteren künstlerischen Zeugnis von Tschechows Leben. Ihr „Roman in Briefen“ wurde in viele Sprachen der Welt übersetzt und neben Tschechows Dramen und Erzählungen inszeniert.

Auf medizinische Hilfe hoffend kam das Ehepaar Tschechow im Sommer 1904 in den deutschen Kurort Badenweiler. Aber für den kranken Schriftsteller kam jede Hilfe zu spät.

Am 15. Juli 1904 ging er von uns und hinterließ als Erbe sein Werk und das Vorbild seines unermüdlichen Engagements.

Die deutsche Schriftstellerin Elsbeth Wolfheim schrieb in ihrer Tschechow-Biographie:
„Der Antagonismus zwischen Sein und Schein – Thema vieler Erzählungen Tschechows – ist auch das Kardinalthema seines eigenen Lebens.“

Zusammengestellt von Elisabeth Hartmann